Flugerfahrungen in der Pfalz
„Welches Feld würdest du wählen?“ frage ich den erfahrenen Vordermann mit Blick auf die wachsenden Konturen der Landschaft unter uns. Wir sind uns einig im Cockpit unseres Doppelsitzers, der ASK 21 vom Breigauverein für Segelflug e.V.: Eine saftig grüne Wiesenfläche unweit des Holiday Parks hat unseren Blick angezogen. Unser Sommer-Fluglager 2021 mit dem SFSV Haßloch aus Rheinland-Pfalz beginnt für uns an diesem Tag mit einer Außenlandung. Nach einer Woche in Haßloch und einer zweiten Woche mit den Haßlochern zu Gast im bayrischen Erbendorf werden es drei Außenlandungen für uns sein.
Das gewählte Feld bietet viel Platz, der Wind wie gewünscht frontal, der Anflug frei von Hindernissen. „Eigentlich wie normal“ denke ich als fortgeschrittene Flugschülerin noch über den Endanflug, bis plötzlich in wenigen Metern Höhe dunkles glitzern das Grün unter uns ablöst. Wir pfeifen über die Oberfläche, es zischt und schwappt zwischen den Halmen; dann Stille: die Maschine steht. Kurz den Kopf sortieren – alles noch dran, alles in Ordnung. „Booor“ tönt es beeindruckt aus dem Funk, „das hat voll gespritzt!“. Ein weit über uns kreisender Fliegerkollege hat die Bugwelle aus der Luft verfolgt. Aus dem Segelflieger gepellt reicht uns das Nass bis über die Knöchel.
Wir müssen lachen: Meine allererste Außenlandung – eine Wasserung.
Während wir die Feldwege für die beste Anfahrt erkunden, machen sich die Vereinskolleg*innen mit dem rund 10 Meter langen Anhänger auf den Weg. Ein entfernt arbeitender Bauer rollt auf einem modernen Traktor heran und bietet sogleich seine Hilfe an. Die massiven Reifen des Kolosses sind im sumpfigen Gelände Gold wert. Hochkonzentriert zieht der Bauer den Flieger an einem Seil in trockenere Gefilde, was hunderte Grashüpfer auf den Tragflächen als Mitfahrgelegenheit nutzen.
Von zahlreichen Störchen kritisch beäugt verstauen wir mit der eingetroffenen Mannschaft die Tragflächen, den Rumpf und das Höhenleitwerk im Hänger. Das Bier heute Abend geht traditionsgemäß auf uns.
Den Reiz des Fliegens ohne Motor bezahlt man als Segelflieger*in mit dem Risiko einer Außenlandung. Doch was für Passant*innen oft wie ein Absturz wirkt, ist im Normalfall ein kontrollierter und sicherer Vorgang.
Zur Flugvorbereitung gehört die genaue Auseinandersetzung mit Wettergeschehen und dem Terrain: Wo liegen Flugplätze, die man im Zweifelsfall anfliegen kann? Wo sind welche Außenlandemöglichkeiten gegeben? Und in welches Gebiet darf ich als Segelflieger*in nicht oder nur mit ausreichender Sicherheitshöhe einfliegen, weil beispielsweise Wald, landwirtschaftliche Nutzung oder Bebauung keine sichere Außenlandung zulässt. Im Flug gilt es, die Höhe und die Umgebung stets im Blick zu haben und wenn nötig frühzeitig eine Entscheidung zu treffen.
Im Haßlocher Sommerfluglager nutzen drei Maschinen entfernte Flugplätze zur Landung, viermal stehen Maschinen im Acker. Neben unserer unfreiwilligen Wasserung bei Haßloch spült es uns mit unserer ASK 21 noch zwei weitere male bei Erbendorf vom Himmel. In der dortigen Flugwoche begrenzt die niedrige Wolkenbasis die Flughöhe und der starke Wind verreißt die aufsteigenden Luftpakete in nicht mehr nutzbare Fetzen. Selbst die ortskundigen Piloten, die zu Beginn von ihrer Segelflug-„Rennstrecke“ über dem Bayrischen und Thüringer Wald schwärmen, arbeiten sich mit ihren Hochleistungsfliegern an den Bedingungen ab. Schneller als uns lieb ist, kitzeln die goldgelben Strohhalme eines abgemähten Ackers den Rumpf unseres Doppelsitzers.
Am nächsten Tag pflücken wir einen haßlocher Kollegen vom Acker, der den Gegenwind zurück zum Flugplatz unterschätzte. Beim Abbau seines Fliegers lacht eine vom Wind hergetriebene Wolkenstraße vom Himmel, die bekanntlich gute Steigwerte verspricht.
Am letzten Flugtag sind die thermischen Bedingungen etwas besser und wir hängen bereits zwei Stunden unter den Wolken über dem bayrischen Hügelland. Doch recht plötzlich sind wir nur noch von blau umgeben, die Wolken im Nichts verschwunden. Die absinkenden Luftmassen schütteln uns in wenigen Minuten aus 1900 Metern auf den Boden. Bis wir uns der Situation gewahr werden, sind die umgebenden Flugplätze nicht mehr erreichbar und ein Kornfeld muss als Landefeld herhalten. Der Flieger im Feld ist für das Dorf schnell eine Attraktion. Kurze Zeit später erreicht uns ein Traktor, der den Flieger sachte aus den Ähren zieht. Der zugehörige Bauer nimmt es mit Humor: Entschädigt werden möchte er für unsere Spuren nicht, aber ein Rundflug, das würde ihn und seine Frau interessieren – ein Rundflug mit Motor.
Die Muskeln sind trainiert, der Abbau routiniert und zügig. So gehen unsere Ferien mit einem weiteren Bierfass für die helfende Mannschaft zu Ende. Am nächsten Tag übergeben wir die ASK 21 in das rund 100 km entfernte Cham, in der unsere Vereinskollegen vom BVS ein zweiwöchiges Fluglager abhalten. Ob Sie von dort mehr Glück mit der Rennstrecke haben?
Hannah Seebauer