Mit dem Breisgauverein für Segelflug in Tschechien – Bericht eines Gastes
Seit mehreren Jahren organisiert Norbert Weinhold, der erste Vorsitzende des Breisgauvereins für Segelflug e.V., jeden November ein Fluglager der besonderen Art: Lee-Wellen-Flug in Jeseník. Dort, an der polnisch-tschechischen Grenze, treffen sich zu dieser Zeit eingefleischte Piloten und solche, die es noch werden wollen [Anm. d. Red.: Hier fliegen auf jeden Fall nur erfahrene Piloten.] , aus ganz Europa, um in den aufsteigenden Luftströmungen entlang der Gebirgsketten vom Altvater– über das Adler– bis hin zum Riesengebirge in Höhen von 7000 m aufzusteigen und hunderte Kilometer Flugstrecke zurückzulegen.
Aus dem Breisgauverein für Segelflug waren in diesem Jahr insgesamt 14 Personen mit vier doppelsitzigen Segelflugzeugen angereist. Die Gruppe war dabei bunt gemischt und reichte von jungen Flugschülern [Anm. d. Red.: Diese fliegen ausschließlich als Gast mit.] über Studenten bis zu erfahrenen, jung gebliebenen Piloten. Alleine die Anreise ist jedes Mal eine organisatorische Herausforderung, da immer weniger junge Leute ein Auto, bzw. einen Führerschein besitzen, der es ihnen erlaubt die Segelflugzeuge im Anhänger 900 km von Freiburg bis an die polnische Grenze zu ziehen.
Nachdem wir vor Ort angekommen waren und jeder sein Quartier bezogen hatte, durfte ich den fliegerischen Vorbereitungen beiwohnen. Um derartige Flüge sicher zu absolvieren, sind viele Dinge zu planen und im Team zu organisieren. So müssen Batterien geladen, Flugzeuge getankt [Anm. d. Red.: Eines der Flugzeuge ist eigenstartfähig.] oder Sauerstoffflaschen mit 200 bar Druck gefüllt werden. Natürlich müssen auch die Flugzeuge auf- und abgebaut, jeden Tag inspiziert und gesichert werden. Durch gute Beziehungspflege zu den anderen Piloten und lokalen Organisatoren vom Aeroklub Jeseník hilft man sich gegenseitig und tauscht Erfahrungen aus.
Ein einmaliges Erlebnis war natürlich der Flug. Der Start erfolgte im Flugzeugschlepp. Aufgrund der hohen Windgeschwindigkeiten, die zur Ausbildung der Leewellen erforderlich sind, ist die bodennahe Startphase extrem turbulent. Sowohl Segel- aus auch Schleppflugzeug tanzten nur so hin und her als wären sie ein Spielball des Windes. Jeden Augenblick wartete ich darauf, dass das Segelflugzeug dem Schlepper das Heck herumreißt. Dass die Situationen vor Ort tatsächlich fliegerisch extrem anspruchsvoll und auch durchaus gefährlich ist, wurde allen durch den Absturz einer Schleppmaschine im Landeanflug eindringlich vor Augen geführt. In geringer Höhe wurde die Maschine von einer Böe erfasst, angehoben und stürzte anschließend neben die Grasbahn. Der Pilot blieb zum Glück nur leicht verletzt.
Sind die bodennahen Turbulenzen jedoch erst einmal überwunden, stellt sich eine extreme Ruhe ein. In den laminaren Luftströmungen geht es kontinuierlich mit 2-3 m/s in die Höhe. Aufgrund der fehlenden Triebwerke ist es tatsächlich ruhiger als in einem Airliner und man kann eine sagenhafte Aussicht genießen. Ab 3500 m beginnt man der Atemluft Sauerstoff hinzuzufügen, während es geruhsam weiter in die Höhe geht. Die Instrumente im Cockpit liefern permanent Daten wie die aktuelle Steig- und Fluggeschwindigkeit, Höhe, Temperatur und andere Informationen.
Trotz moderner Instrumente muss der Pilot die physikalischen Prinzipien hinter den angezeigten Messwerten kennen, um sie korrekt interpretieren und das Flugzeug sicher führen zu können. So wird beispielsweise die Geschwindigkeitsanzeige durch die abnehmende Dichte der Luft in der Höhe verfälscht und es könnte insbesondere im Sinkflug zu gefährlichen Situationen kommen.
Unser Flug dauerte etwa fünf Stunden. Wir haben dabei eine Strecke von ca. 300 km vom Altvater bis zur Schneekoppe im Riesengebirge zurückgelegt. Dabei sind wir bis 6600 m aufgestiegen und selbst als „Beifahrer“, der nur mitfliegt, war es beeindruckend, wie strapazierend ein solcher Flug ist. Bemerkenswert ist dabei, dass man selbst die Anstrengung für den Körper beim Aufstieg in diese Höhen zunächst nicht direkt bemerkt. Erst nach dem Sinken auf 4000 m, nahm ich wahr, dass es in dieser geringeren Höhe doch deutlich angenehmer zu fliegen war. Und so sind fünf Stunden Flug, in denen man der direkten Sonneneinstrahlung, Kälte – (obwohl es bei unserem Flug mit -7 °C eigentlich ziemlich warm war), Wasser- und Sauerstoffmangel ausgesetzt ist, in Summe doch relativ anstrengend. Zum Ende hin bescherte der Landeanflug bei starken Aufwinden dann noch mal einen gehörigen Nervenkitzel.
Nachdem das Flugzeug sicher gelandet und die Ausrüstung versorgt war, trafen sich alle in der gemeinsamen Unterkunft, einem neu eingerichteten Selbstversorger-Haus für ca. 15 Personen. Dort wurden allabendlich gemeinsam die absolvierten Flüge besprochen, die Wetteraussichten für den nächsten Tag analysiert und Erfahrungen ausgetauscht. Besonderen fachlichen Input lieferte Dr. med. Birgitt Weinhold mit einem abendlichen Vortrag über Flugmedizin und die Auswirkungen der großen Höhe auf den menschlichen Körper. Auch die besonderen Gefahren der Hypoxie [Anm. d. Red.: Mangelversorgung mit Sauerstoff] wurden besprochen und es entstanden in der Gruppe ernsthafte Diskussionen und ein lebhafter Erfahrungsaustausch über das richtige Verhalten in derartigen Notlagen.
Nicht minder wertvoll war die Erfahrung in einer gemischten Gruppe – die Alterspanne reichte von zwei bis ca. 70 Jahren – untergebracht zu sein und sich innerhalb kurzer Zeit aufeinander einzustellen und ein gemeinsames soziales Zusammenleben organisieren zu müssen. Eine große Küche, in der gekocht und gegessen wurde, bot hierfür den idealen Raum. Es wurde gemeinsam, meist unter der hervorragenden Anleitung von Norbert Weinhold, gekocht, gegessen und sich unterhalten. Wenn das Wetter mal nicht zum Fliegen geeignet war, stehen in der Region diverse alternative Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung. So kann man natürlich wandern, Tropfsteinhöhlen besichtigen oder vielerorts historische Spuren aus der Kaiserzeit entdecken. Ebenso gibt es Schlösser, Bergwerke oder andere Sehenswürdigkeiten, die von der Blüte vergangener Zeiten zeugen.
Zusammenfassend muss man den Breisgauverein für Segelflug und seine Mitglieder beglückwünschen, dass sie derartige Veranstaltungen füreinander ermöglichen, die wahrscheinlich alle Beteiligten auf technischer, kultureller und menschlicher Ebene bereichern. Herzlichen Dank, dass wir dabei sein durften und macht weiter so!
Thomas Nolden [Anm. d. Red.: Der Autor hatte seiner Frau und zwei kleinen Kindern dabei.] [Anm. d. Red.: Dank gilt dem SBW – Verein zur Förderung des Strecken- und Wettbewerbssegelfluges in Baden-Württemberg e.V. für das Überlassen der BW1.]