Sommerfluglager 2019 auf dem Segelfluggelände Kirchzarten
Direkt zu Schulferienbeginn fand am Segelflugplatz in Kirchzarten das diesjährige Fluglager des Breisgauvereins für Segelflug e.V. statt. Eine aufregende und sonnige Schulungswoche geht zu Ende.
Zum ersten Briefing Samstag um 9 Uhr erhebt sich bereits eine Zelt- und Campingstadt am Clubheim. Rund 25 Teilnehmende versammeln sich zum morgendlichen Besprechungsritual zur Planung des täglichen Flugbetriebs. Zunächst müssen Freiwillige gefunden werden: Fluglehrer(innen), Windenfahrer(in), Startleiter(in) und Tagesverantwortliche für alle Flug- und Fahrzeuge. Die Einteilung beginnt schleppend, aber schnell wird klar: Ein Segelflugbetrieb funktioniert nur als Gemeinschaft.
Ist diese erste Hürde geschafft, läutet das metallene Scheppern der schweren Hangartore den Beginn des Aufbaus ein. Der Startbus-Anhänger wird mit dem Notfallfahrzeug neben einem Maisfeld auf Position gebracht. Am anderen Ende der rund einen Kilometer langen Schleppstrecke nimmt die Winde ihren Platz ein. Die Flugzeuge werden ausgehallt und am Start genaue Sicherheitschecks unterzogen. So folgt eine Traube Flugschüler(innen) dem Fluglehrer um das Flugzeug: Liegen Gegenstände im Rumpf? Sind alle Fockernadeln geschlossen, alle Ruder freigängig? Ist alles in Ordnung darf sich die erste Pilotin den Fallschirm überstreifen und fest angurten. Das erste Seilpaar der Winde ist bereits im Anmarsch – es kann losgehen.
„Winde startklar“, „Seil einziehen“, „straff“ schallen die Kommandos am Startbus und der erste Segelflieger gleitet in die Luft. Schon knattert der orangene Traktor über die Wiese Richtung Landefeld und hält sich zur Rückholung der Flieger bereit. Auch wenn der Traktor mit seiner charmanten Geräuschkulisse mehr eine Übergangslösung für verschlissenes Automaterial darstellt, ist eine Fahrt in der federnden Sitzschale für alle ein erheiterndes Erlebnis.
Im Laufe des Tages kommen immer mehr Flugschüler(innen) und Scheininhaber(innen) in den Genuss der Vogelperspektive. An einem guten Flugtag können über 50 Windenstarts am Platz in Kirchzarten durchgeführt werden. Für mich als Flugschülerin ist das Gefühl auch nach fast einem Jahr atemberaubend: mal pfeift der Fahrtwind liebevoll um die hölzernen Tragflächen, dann rüttelt die bewegte Luft der Thermik wieder an der Sitzschale.
Mit zunehmender Startzahl folgt das Flugzeug immer müheloser meinen Zielen und lässt, stabil in der Thermik kreisend, im Innenleben Ruhe einkehren. Von oben brütet die Sonne auf den kleinen weißen Fliegerhut, der Blick streift über die Baumkronen und den Horizont. Plötzlich kreiselt in Unweite ein weiteres Flugzeug im selben Aufwind. „Stabil im Tempo bleiben“, „gleichmäßige Kreise“ ermahnt mich der Fluglehrer Nils Wiegmann und greift schließlich ein.
Die 15-jährige Lilli Engel ist in ihrer Ausbildung schon fortgeschrittener und bestreitet ihren ersten Alleinflug. Schon diverse male schallte der Lieblingssatz „Ich bin nicht da“ vom hinteren Sitz der Fluglehrer. Für den Alleinflug müssen selbstverständlich alle wichtigen Manöver sitzen und auch ungeplante Vorkommnisse, wie ein Seilriss beim Schlepp oder ein Anflug aus einer ungewöhnlichen Richtung sicher bewältigt werden können.
Für einen ersten Alleinflug steht der Flugbetrieb dann kurzzeitig still, Lilli soll Raum für alle Eventualitäten gegeben werden. Jetzt heißt es für die Fluglehrer, die sicherheitshalber am Funk bereitstehen, den Fähigkeiten ihres Schützlings zu vertrauen. Lilli ist trotz Aufregung souverän – der erste „Solo“ nach gut fünf Minuten geschafft. Es folgen direkt zwei weitere. Abends spendiert die Pilotin traditionsgemäß einen Kasten Bier und wird mit der sogenannten Fliegertaufe geehrt. Um das Gefühl im Gesäß zu erhöhen klatschen dabei alle Vereinsmitglieder auf ihren Hintern bis sie schließlich mit kübelweise Wasser übergossen wird.
Vom Baden-Württembergischen Luftfahrtverband e.V. wurde für das diesjährige Fluglager ein Nachbau des aus den 30er Jahren stammenden Schulgleiters SG38 geliehen. Das historische Holzgerippe mit Drahtgespann lädt mutige Scheinpiloten(innen) zu einem Ritt auf offenem Sitz ein. „Das muss man mal gemacht haben!“, sind sich die Gelandeten einig. Durch die Kombination aus fehlender Haube und fehlendem Rumpfboden nehme man den Flug viel intensiver wahr, schwärmt der Pilot Norman Virgens und ist sichtlich von der im Flug entstehenden Geräuschkulisse beeindruckt. Durch die im Vergleich zu modernen Segelflugzeugen viel schlechteren Gleiteigenschaften erinnere ein Flug aber eher an ein „kontrolliertes Abstürzen“, was zu einer Flugdauer von gerade einmal zwei Minuten führt.
Ein weiteres besonderes Erlebnis ist das Sunsetfliegen. Nach einem frühen Abendessen wird der Flugbetrieb bis nach Sonnenuntergang fortgeführt. Am Boden wird im Akkord gearbeitet, sodass möglichst viele Vereinsmitglieder in den Genuss des Anblicks kommen. In der ruhigen Abendluft schweben die Segelflieger völlig lautlos in langsamer Gleitgeschwindigkeit über Kirchzarten hinweg. Die letzten Sonnenstrahlen brechen in der Ferne durch eine kleine Wolke hindurch und tauchen den Himmel in zarte orange-rosa Töne.
Nach gut einer Woche geht das Fluglager bereits zu Ende, unter den Flugschüler(innen) war der Wunsch nach Fortführung greifbar. Geplant war, die Schulung in einer zweiten Woche an einem Flugplatz im bayrischen Cham fortzusetzen, die Pläne mussten aber mangels Personal und Transportmöglichkeiten verworfen werden. Bis zur Winterpause ab Ende Oktober bietet sich dennoch der reguläre Wochenendbetrieb an, um in die Luft zu kommen. Anschließend kann am Flugplatz in Freiburg die Theorie erlernt und in der vereinseigenen Werkstatt mitgewerkelt werden. Sobald es die Witterung und die Graspiste im späten Frühjahr dann zulässt heißt es wieder: „Bereit zum Einklinken!“, – und Höhenluft schnuppern!